Gestern war Allerseelen, der 2. November. Das ist ein Tag, den viele Peruaner auf dem Friedhof verbringen, bei ihren Verstorbenen, die hier stark in das Leben einbezogen sind. Volksfestartig pilgern die Menschen zunächst zum Vorplatz des Friedhofs, um sich mit Notwendigem einzudecken, das reicht von Blumen über Vasen bis hin zu kleinen Bier- oder Schnapsfläschchen, die den Verstorbenen übergeben werden. Gemeinsam mit dem Toten wird das gefeiert, was ihnen in ihrem Leben gefallen hat. Bis vor einigen Jahren ein Verbot ausgesprochen wurde, waren die Feste tatsächlich ausgiebig, mit viel Essen, Trinken, Musik und daraus entwickelten sich zum Teil ausgiebige Feste. Diese Tradition wurde unterbunden, Wachschutz hat auf die Umsetzung geachtet, auf dem Stadtfriedhof von Cusco mehr als auf jenem kleinen im Vorort, den wir auch besucht haben.
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In vielen Ländern gibt es diese Architektur, in der sich Nischen befinden, in die die Särge eingeschoben werden und nach vorn hin sich kleine „Schaukästen“ darstellen. An diesem Tag trafen sich viele Familien, um diese Nische zunächst zu putzen, neu zu bestücken und im Anschluss mit dem Toten in Verbindung zu treten. Das geschah auch schon mal mit einer Box, aus der Santana schallte.
Die Temperatur heute war enorm, jede:r hat sich lieber im Schatten aufgehalten. Gefühlt hatte der Vormittag 35 Grad, Schutz bieteten Sonnenschirm.
Die Menschen sassen neben, bei und auf den Gräbern.
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Mein Begleiter Roberto erzählte mir nach einer Weile, dass er als junger Mann gemeinsam mit einem Freund in diesen Friedhof „eingestiegen“ ist, es gab ein Loch in der umrandenden Wand, das vermutlich jede:r kannte. Sie haben sich spätabends entschlossen, nicht mehr durch das wenig sicherere angrenzende Viertel zu laufen, sondern auf dem Friedhof zu schlafen. Es gab den neuen Bereich, in dem die Nischen schon fertig konstruiert, aber noch nicht bestückt waren. Zu zweit haben sie sich in eine Nische gelegt, noch eine Weile geredet, um dann zu schlafen. Morgens, bei erstem Sonnenschein, sind sie zurück durch das Loch in die lebendige Welt geschlüpft.
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Der zweite Friedhof in Huancaro, in einem Vorort Cuscos, streckt sich auf mehrere Ebenen. Unten und im oberen Zugang wieder volksfestartiges Getümmel inkl. Kinderbelustigungen unterschiedlichster Art. Da dieser Friedhof etwas weiter vom Zentrum entfernt liegt und damit weniger unter städtischer Beobachtung ist, waren dem Mitbringen von Essen und Getränken weniger Grenzen gesetzt.
Hier fing es nach einer Weile an zu regnen, was viele Besuchende unbeeindruckt lies, die Sonnenschirme entwickelten sich zu Regenschirmen.
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Auch an diesem Tag wurde das Spanferkel an zahlreichen Ständen angeboten. Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass auch die Köpfe gegessen werden, Robertos Erklärung: „in Peru verkommt nichts …“ 😉 Vom Stand wurde mir ein Stückchen zum Probieren angeboten, es schmeckte herrlich! Hätten wir nicht gerade zuvor gegessen, hätte ich mich an den Kopf herangetraut.
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Verrückt, dass Allerheiligen in Peru wie bei uns gefeiert wird. Mit dem grossen Unterschied, dass es dort ein fröhliches, lebendiges und buntes Fest ist, hier ist es so ernst und traurig, und zwangsläufig durch die Wetterbefingungen im November nicht von Dauer. Da zieht es einen in der Regel schnell wieder weg vom Friedhof. Aber wer würde auch bei gutem Wetter so auf einem Friedhof feiern, wie Du es jetzt erleben konntest?! Toll!
Der Tod ist in das Leben der Menschen viel selbstverständlicher integriert dort. Das zeigen letztlich auch die gebratenen Tierköpfe, die einen so unverhohlen anschauen und sich zum Verspeisen anbieten, was dort vermutlich niemand anstössig findet.
…schön finde ich auch, dass diese Menschen so viel Zeit mit und bei ihren Verstorbenen verbringen. Das Umhersitzen auf den Grababdeckungen oder Erdhügeln – alles sieht so
natürlich aus. Ein schönes Gefühl – finde ich- auch nach dem Tod noch mitten unter den Lebenden zu sein.
Die Geschichte der beiden, die in der Grabkammer übernachtet haben, zeugt schon von fast buddhistischer Weisheit und Unerschrockenheit. Einmal Probeliegen kann ja nicht schaden.
Die Angehörigen in der Mauer zu bestatten ist uns Mittel- und Nordeuropäern fremd und ich finde, dass diese Bestattungsart die Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten stärker betont.
Ein Fest auf dem Friedhof hat etwas Schönes an sich.
Ich habe Dich ja als Architekturphotografin kennengelernt. Jetzt schätze ich Dich als Sammlerin von Augenblicken des Menschseins.