Gestern Abend bin ich mit dem Zug gegen 18:00 Uhr angekommen, die Zeit, in der es anfängt, dunkel zu werden, was dann auch sehr schnell geschieht. Ein bestelltes Taxi hat mich am Bahnhof abgeholt und zum „Hafen“ gebracht, in diesem Fall meint das das Ende eines Kanals, die hier am Titikakasee durch Schilfflächen gebildet werden. Vom Taxi aus mussten wir ein wenig laufen, bis wir zum Boot kamen. Der Taxifahrer erklärte, dass es seit Dunkelheit wunderbare 10 Grad hat, im Winter können es 0 sein. Tagsüber steigt die Temperatur auf ca. 16 Grad. Das Boot war eine offene Schüssel mit Motor, im Hintergrund die Berge, über denen sichtbar ein Gewitter tobte, ausserdem war es mittlerweile dunkel. Als Touristin wurde ich in Decken gewickelt, damit mir auf der Bootstour nicht kalt wird. Jilber, mein Host für zwei Tage, stakste uns etwa 200 Meter den Kanal entlang, der offensichtlich nicht tief war, irgendwann ging der Motor an und wir fuhren Richtung Insel. Natürlich waren wir nicht die einzigen im Kanal, manche hatten Licht in Form von Taschenlampe, manche nichts wie wir. Ich war beeindruckt, wie gut das „Sehen“ bei dieser Dunkelheit funktionierte. Die Fahrt dauerte nur 10 Minuten, wir erreichten die schwimmende Insel. Sie ist aus Schilf gebaut und in Folge (war mir nicht klar bis zum ersten Schritt) weich. Bei jedem Schritt sinkt der Fuss etwa 5? 8? Zentimeter ein, ein neues Erlebnis für mich.
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Die Insel hat Jilber vor drei Jahren gebaut, sie wird aus dem hiesigen Totora-Schilf hergestellt, viele Lagen liegen aufeinander, 1,50 Meter dick, die jeweils unterste verrottet mit der Zeit, neue Lagen müssen alle paar Monate in Folge neu aufgebracht werden. Die Bevölkerungsgruppe der Uhus bauen seit mehreren Tausend Jahren diese schwimmenden Inseln, in erster Linie, um sich vor feindlichen Übergriffen zu schützen. Das erinnert mich sehr an Venedig, das aufgrund seiner einzigartigen Lage auch geschützt war: das Wasser war so flach, dass die Gegner mit ihren tiefen Schiffen die Stadt nicht erreichen konnten.
Die Häuschen, die darauf stehen, in diesem Fall etwa 10 (3 zur Vermietung, eine Küche, ein Bad für die Besitzer, ein Essplatz für Touristen, 1-2 Schlafzimmer für die Vermieter und ein Abstellraum (?) ) stehen auf einem Rost aus Holz, etwas erhöht, also mit weiteren Lagen Schilf unter sich. Und diese Häuser sind mobil, denn auch das Schilf unter ihnen muss ergänzt werden, dazu werden die Häuser versetzt, auf einen anderen Platz, ähnlich wie in unserer Landwirtschaft in der Dreifelderwirtschaft kann sich der Boden für eine Zeit erholen.
Heute Nacht habe ich in einem Bett geschlafen, dass als Zudecke 6 Einzeldecken hatte. Im Laufe der Nacht stellte sich heraus, dass 4 reichten. Damit zum Wetter: das Wetter hier hat Tageszeitentemperaturen (ein Wort so kompliziert, dass ich es mir in meinem Erdkundeunterricht gemerkt habe). Die Peruaner sagen, sie hätten zwar Jahreszeiten, diese aber nicht auf ein Jahr verteilt, sondern auf einen Tag. Nachts sinken die Temperaturen, wie oben beschrieben, auf 10 Grad, am Vormittag wird es wärmer, am Nachmittag hat man Sommer (nur heute leider nicht) und der Beginn des Abends ist herbstlich.
Da es keine Heizung gibt, ist es auch morgens ordentlich kalt. Heute hat die Sonne kaum geschienen, es war bewölkt, hatte schwarze Wolken und hier und da hat es geregnet. Den ganzen Tag bin ich mit warmer Funktionsunterwäsche und allem, was ich oben rum anziehen kann, rumgelaufen, inkl. Regenjacke, die auch wärmt.
Entschädigt hat mich heute morgen der Blick aus dem Fenster:
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Tagsüber gab es Erklärungen zum Aufbau der Insel inkl. einer „fishing“-Ausfahrt um die Ecke, Touristendemo, das aber in einem historischen Boot, das die Uhus zum Fischen benutzt haben und noch immer nutzen, ebenfalls aus Reed gebaut ist. Auf dieser Fahrt hat Jilber auch einen Halm aus dem Wasser gezogen und mir zum Essen angeboten, die Halme sind vielfältig einsetzbar. Es war aber nicht lecker.
Auf den Bildern unten kann man wunderbar unterschiedliche Himmelbilder sehen, sie liegen nur kurz auseinander.
Der Besuch auf dieser kleinen Insel (ca. 10 x 15 Meter) war sehr erholsam und eine schöne Unterbrechung zwischen Cusco und La Paz, wo es morgen hingeht, die Spuren des Tourismus sind aber leider auch deutlich sichtbar. Wie so oft hat der Tourismus gute und weniger gute Seiten.
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Na irre, dass Du am Titikakasee bist. Der hat mich schon in meiner Jugend fasziniert, wegen des Namens 🙂 Ich stelle mir Dich auf dem wunderschönen Boot vor, Schilf kauend…
liebe heike, vielen dank für deine begeisterten reaktionen, es freut mich immer wieder! zum ursprung des namens titicaca gibt es zahlreiche unterschiedliche quellen, deshalb bin ich erst gar nicht darauf eingegangen. auch ich finde ihn faszinierend! herzliche grüsse, annähernd unbeweglich, da ich so viel kleidung anhabe …